Tschernobyl Reaktor

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Der Aufbau und Funktionsweise des Tschernobyl Reaktor

Den berühmten Reaktor 4 des Tschernobyl-AKW ist praktisch jedem bekannt, der schon einmal von den potenziell tödlichen Gefahren der Kernkraft gehört hat. Unmittelbar nach der Explosion des Reaktors starben schließlich dutzende Menschen. Insgesamt verursachte die Katastrophe den Tod von tausenden Menschen. Doch nur wenige Menschen wissen über die technischen Eigenschaften des Reaktors Bescheid.

Gerade die technischen Eigenschaften des Reaktors sind doch so essentiell für den furchtbaren Verlauf des Sicherheitstests am 26. April 1986. Denn neben menschlichem Versagen waren es vor allem die Fehler und Anfälligkeiten des Reaktortyps, der zu dem Super-GAU führte.

Grundsätzliche Funktionsweise des Tschernobyl Reaktor

Es handelte sich bei dem Atomkraftwerk in Tschernobyl um einen Reaktor des Typs RBMK. Das steht übersetzt für Hochleistungs-Reaktor mit Kanälen. Er ist ein Siedewasserreaktor. Die Reaktivität (ergo die thermische Leistung) wird mittels Graphit moderiert. Wasser dient bei RBMK-Reaktoren als Kühlung und zusätzlich für die Moderierung der Reaktivität.

RBMK-Reaktoren wurden in der Sowjetunion sehr geschätzt. Das liegt primär daran, dass es sich um einen vergleichsweise günstigen Typ von Reaktor handelt. Im Bau ist der Reaktor weniger aufwändig und komplex, als andere Reaktortypen, die große Einzelstücke beinhalten. Durch den Graphit als Moderator können Stoffe genutzt werden, die sonst nicht in Leichtwasser-AKWs verwendet werden können. Der Reaktor kann das ganze Jahr über verwendet werden, weil die Brennstäbe auch während des Betriebs entfernt werden können.

Nachteile des RBMK-Reaktors

Ganz offensichtlich hat der Reaktortyp auch eine Reihe von Nachteile, die sich besonders bei der Katastrophe von Tschernobyl äußerten. Der Reaktortyp selbst hat einen positiven Dampfblasenkoeffizient. Das bedeutet, dass die Reaktivität (in diesem Fall thermische Leistung) bei der Bildung von Dampfblasen ansteigen kann.

Nicht zuletzt durch menschliches Versagen ist genau das in Tschernobyl am 26. April 1986 passiert. Dass die Katastrophe nicht im letzten Moment gestoppt werden hat können, lag auch an der Bauweise des RBMK-Reaktors. So sind die Kontrollstäbe an der Spitze mit Graphit bedeckt. Als bei der Notabschaltung alle Brennstäbe eingefahren sind, hätte das eigentlich die Reaktivität des Reaktors stoppen sollen. Weil der Prozess bis zum völligen Einfahren aber einige Sekunden dauert, kam es durch die Kombination aus fehlendem Kühlwasser (Notkühlungssystem war zu dem Zeitpunkt ausgeschaltet), den Graphitspitzen und der bereits hohen Reaktivitätsbereitschaft durch den Xenon-Anteil im Reaktor zur Leistungsexkursion. Den Druck einer Verhundertfachung der Leistung hielt der “Kessel” nicht stand und explodierte.

Das zeigt die wohl offensichtlichsten Nachteile des Typs RBMK:

  • Kein eindeutig funktionierendes, schnelles Notabschaltung-System
  • Gefahr der Leistungsexkursion durch Graphit- und Wassermoderierung
  • Hohes Maß an Selbständigkeit und Eigenverantwortung vom Personal gefordert
  • Durch die elektrische Steuerung der Brennstäbe ist der Reaktor besonders bei einem Stromausfall gefährdet. Das wurde am 26. April 1986 in einem Sicherheitstest simuliert und führte zur Katastrophe.

Tschernobyl Reaktor und RBMK-Typ heute

Die Reaktoren in Tschernobyl wurden stillgelegt. Sie liefen vergleichsweise lange, weil die Ukraine auf den Strom durch die noch intakten Reaktoren angewiesen war. Heute sind die Reaktoren eine Touristenattraktion für zahlreiche abenteuerlustigen Menschen aus aller Welt. Jedes Jahr besuchen mehr als 50.000 Leute das Sperrgebiet rund um Tschernobyl.

Sicherlich war der Tschernobyl Reaktor nicht nur für den Westen lehrreich. Die Sowjetführung versuchte nach dem Unfall, potenzielle Risiken möglichst zu minimieren. So wurde die Anzahl der Brennstäbe erhöht. Zusätzlich wurden in die RBMK-Reaktoren jeweils 80 Absorberstäbe installiert, die eine Leistungsexkursion wie am 26. April in der Zukunft unmöglich machen sollen. Heute existieren von den ursprünglich 15 RBMK-Atomreaktoren noch 10 in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Der AKW-Typ des Tschernobyl Reaktor existiert also auch heute noch. Bis 2050 sollen die RBMK-Atomkraftwerke weiterhin genutzt werden.

Weiterführende Literatur: Quellen und interessante Links

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