Tschernobyl – Eine nukleare Katastrophe mit internationalen Folgen

Tschernobyl

Das Wichtigste in Kürze

  • Durch eine Kombination aus menschlichem Versagen und technischen Fehlern wurde das Unvorstellbare am 26. April 1986 möglich: Der Reaktor Vier des Kernkraftwerk Tschernobyl explodierte.
  • Radioaktiv verstrahlte Wolken über Tschernobyl verbreiteten sich weltweit, weshalb die Katastrophe erstmals durch schwedische Messgeräte entdeckt wurde
  • Tausende Arbeiter, Soldaten, Feuerwehrmänner und lokale Bürger arbeiteten unter teils extremer Strahlenbelastung an der Bekämpfung der Nuklearkatastrophe
  • Innerhalb weniger Monate schaffte eine hastig gebaute Schutzhülle eine Ummantelung des Reaktors
  • 2019 wurde die neueste Schutzhülle gebaut, die auf die nächsten 100 Jahre Schutz vor der weiteren Verbreitung ionisierter Strahlung und verbotenem Eindringen gewährleisten soll

Durchführung eines längst überfälligen Tests – Vorboten einer Katastrophe

Es war kein alltäglicher Test, der am 25. April 1986 im Kernreaktor von Tschernobyl begonnen werden soll. Vielmehr handelt es sich um einen Prozess, der schon vor Inbetriebnahme des Reaktors durchgeführt werden hätte sollen. Das geschah aus finanziellen Gründen allerdings nicht.

Der Sicherheitstest sollte überprüfen, ob das Kernkraftwerk auch im schlimmsten Fall – bei Ausfall des öffentlichen Stromnetzes – durch die verbliebene Rotationsenergie der gerade auslaufenden Turbinen ungefähr 40-60 Sekunden mit Strom versorgt werden kann, bis die Notstromaggregate angelaufen sind. Der gleiche Test schlug bei schlechterer Ausrüstung in einem anderen Reaktor des AKWs Tschernobyl bereits fehl.

Fehler in der Durchführung und im Bau des Reaktors

Wie im Prozess geplant soll der Abbau der Leistung des Reaktors stufenweise erfolgen. Von 3200 auf 1000 MW, was auch korrekt geschah. Beim Herunterfahren der Leistung reichert sich zunehmend neutronenabsorbierendes Xenon an. Das Notkühlsystem wurde abgeschaltet. Durch eine Anweisung aus Kiew, es werde vermehrt Strom benötigt, wurde die Leistungssenkung unterbrochen. Der Reaktor produzierte weiterhin mit der thermischen Leistung von 3200 MW Strom. Das Notkühlsystem wurde nicht wieder angeschaltet.

Nachdem der Strombedarf in der Ukraine zufriedenstellend gedeckt wurde, wurde die Leistung weiter planmäßig gesenkt. Ein Viertel der regulären Leistung wurde angestrebt, bevor es bei Mitternacht zum Schichtwechsel kam. Das neu eingetroffene Personal senkte die Leistung weiter auf nur 500 MW. Nun kam es aufgrund eines menschlichen oder technischen Fehlers zu einer weiteren Absenkung auf 1% der Leistung – der Reaktor produzierte jetzt nur noch 30 MW.

Reaktivität und Explosion des Reaktors

Zwar gelang eine Stabilisierung des Reaktors, auch durch Wasserzufuhr. Durch die sehr niedrige Leistung reicherte sich Xenon enorm an. Das führte zuvor zu schwacher Reaktivitität verhinderte. Durch die Wasserzufuhr schaffte es das Personal, den Reaktor auf zwei Drittel der planmäßigen Leistung zu bringen.

Erst jetzt begann die eigentliche Sicherheitsüberprüfung mit dem Schließen der Turbinenschnellschlussventile. So konnte die Wärme nicht entweichen, die Folge war ein starker Anstieg der Temperatur des Kühlmittels. Die automatische Regelung des Reaktors reagierte darauf mit dem Einfahren der Reaktorstäbe. Dadurch stieg die Reaktorleistung stark an, was zu einer massiven Erhitzung des gesamten Teil 4 in Tschernobyl führte.

Als der ‘Chief Engineer’ Aleksandr Akimov eigenständig die Notabschaltung betätigte, kam es zum bisher Unvorstellbaren: Nach einer Leistungsexkursion um das Hundertfache der Nennleistung kam es zur Explosion. Eine Mischung aus Knallgas und Wassergas sorgte für eine zweite Explosion nur Sekunden nach der Nuklearexplosion. Die Knalle waren in Tschernobyl und Prypjat laut zu hören.

Liquidatoren im Kampf gegen die Verstrahlung von Tschernobyl

Kampf gegen die Verstrahlung von Tschernobyl

Als wenige Stunden später die ersten Feuerwehrmänner eintrafen, wussten sie von der potenziell tödlichen Gefahr nichts. Ähnlich wie das Personal des AKWs in Tschernobyl starben ein großer Teil von ihnen wenige Tage und Wochen nach dem Vorfall. Als klar wurde, dass es sich um einen Unfall größeren Ausmaßes handelte, fuhr die sowjetische Regierung schwerere Geschütze auf. Nach eineinhalb Tagen wurde die Bevölkerung von Tschernobyl und Prypjat evakuiert.

Tausende Soldaten, Arbeiter und Soldaten kamen nun als sogenannte Liquidatoren zum Einsatz. Zuerst wurde von der lokalen Feuerwehr versucht, den Reaktor mit Wasser zu löschen. Als nach zwei Tagen international klar wurde, dass es sich um einen großen Unfall handelt, wurde gehandelt. Mit Hubschraubern versuchte man, Sand und Borsäure auf den Reaktorblock zu werfen. Weil das nicht funktionierte, stieg man auf Blei um. Menschen wurden jetzt eingesetzt, um unter dem Reaktor ein Kühlsystem einzurichten. Die 4.500 Kubikmeter wurden mit Beton ausgefüllt, um eine Berührung der verstrahlten Flüssigkeit mit dem Grundwasser zu vermeiden.

Tote und Verletzte durch die Nuklearkatastrophe Tschernobyl

Wie viel Menschen durch die Katastrophe von Tschernobyl wirklich gestorben sind, kann man heute schwer abschätzen. Die Zahlen rangieren enorm. Die Russische Föderation, die ukrainische Regierung und die WHO gehen von einer Todeszahl von insgesamt 4.000 Menschen aus. In der Zahl sind die an Strahlenvergiftung gestorbenen Soforthelfer inkludiert. Doch auch Menschen, die durch verschiedene Formen Krebs (z.B. Schilddrüsenkrebs) durch die Verstrahlung umgekommen sind, werden in der offiziellen Schätzung berücksichtigt. Besonders bei den Langzeiteffekten gibt es immer wieder Diskussionen in wissenschaftlichen Kreisen. Man geht davon aus, dass signifikante Teile der Ukraine, Weißrussland und Russland von der Kontamination betroffen waren. Anstiege der von Krebs erkrankten Menschen und insbesondere Kinder in Tschernobyl wurden beobachten.

Unmittelbar nach der Katastrophe starben im Verhältnis zur Gesamtzahl der Tschernobyl Opfer verhältnismäßig wenige Menschen. 49 Menschen, die sofort nach dem Unfall am Reaktor waren, starben innerhalb weniger Tage und Wochen. Akute Strahlenvergiftung war hier der Hauptgrund. Einige Angestellte im AKW starben unmittelbar durch die Explosion und Zerstörung der Turbinenhalle. Akute Strahlenvergiftung sorgte jedoch nach dem Unfall für die meisten Toten. Weil Mitarbeiter des AKWs in Tschernobyl teils Strahlenbelastungen von über 7 Sievert ausgesetzt waren, starben sie innerhalb weniger Tage. Aufträge an die Mitarbeiter, sich völlig ungeschützt der Turbinenhalle zu nähern, um Informationen über die Missstände herauszufinden, sorgten für weitere Todesfälle.

“Wenn man alle Kohlekraftwerke in der Welt zusammen nimmt, dann richten sie sicher mehr Schaden als Tschernobyl an und werden den Menschen auch künftig schaden.“
Andrej Sacharow

Bau des Sarkophags – Großoffensiven gegen die Verstrahlung

Als klar wurde, dass der Nuklearunfall in Tschernobyl weltweit Wellen schlägt und weiter neue Probleme verursacht, entschied man sich für den Bau eines Schutzmantel rund um den ehemaligen Reaktor. Dazu musste jedoch der noch vorhandene Teil des Dachs von hochverstrahlten Graphit gereinigt werden. Weil Maschinen versagten, wurden Menschen zur Reinigung eingesetzt. Anschließend wurde in kurzer Zeit ein Mantel aus Stahlbeton gebaut. Zusätzlich versprühte man eine Art Kleber vom Hubschrauber aus rund um den Reaktor 4 in Tschernobyl, um den radioaktiven Staub möglichst zu binden.

Weltweite Kontamination

Tschernobyls Wolken machten natürlich nicht bei Staats- und Landesgrenzen Halt. Die radioaktiv verseuchten Wolken verteilten sich in Europa. Durch die Luftströmungen verteilten sie sich zuerst im skandinavischen Raum. Später gingen die Wolken auch nach Polen, Tschechien, Österreich, Süddeutschland und Norditalien. Der radioaktive Niederschlag betraf jedoch auch die Balkanstaaten, Griechenland und die Türkei in unterschiedlich starkem Maß. Außerhalb Europas kam es in Nordafrika und Vorderasien zur Kontamination.

Vor allem Österreich war abgesehen von damaligen UDSSR-Ländern eines der am stärksten betroffenen Nationen. Noch heute zeugt eine nicht unsignifikante Bodenkontamination davon. In Deutschland und Österreich gibt es deshalb nach wie vor Strahlenbelastung in den Böden. Deshalb gibt es Maximalwerte bei der Verwertung von Wildschweinen und Pilzen aus dem Wald im deutschsprachigen Raum.

Internationale Rückmeldungen und Desinformation der Regierung

Die UDSSR reagierte auf die Katastrophe mit fehlender Information und Desinformation. International konnte der Vorfall aber längst nicht mehr heruntergespielt werden. Tschernobyl wurde in einer internationalen Pressekonferenz in Moskau thematisiert. Erst am 14. Mai, nachdem der Fall schon weltweit über Wochen in den Schlagzeilen war, wandte sich Gorbatschow (Präsident der UDSSR) an die Bevölkerung. Hier sprach er für sowjetische Verhältnisse offen über das Unglück und die Bewältigung der Katastrophe.

Besonders in westlichen Ländern sorgte der Vorfall für ein Umdenken in vielerlei Hinsicht. Nicht zuletzt alternative Bewegungen und “grüne” Parteien, etwa die Grünen/Bündnis 90 in Deutschland, konnten von den Auswirkungen der Katastrophe profitieren. In Österreich war die Anti-Atom-Bewegung im Aufwind. Die Ablehnung der Atomkraft wurde sogar in der österreichischen Verfassung eingetragen. Doch auch in Schweden, Frankreich und Westdeutschland wandte sich die Stimmung durch die Katastrophe in Tschernobyl immer weiter gegen Atomkraft.

Neue “Sarkophage” für Reaktor 4

Dass es sich bei dem Schutzmantel nicht um eine zeitlose Lösung handelt, wurde relativ schnell klar. Schon wenige Jahre nach der Katastrophe gaben auch sowjetische Wissenschaftler an, dass der ‘Sarkophag’ nur 20-30 Jahre halten wird. Als es später zu einem Teileinsturz des Dachs kam, bewahrheitete sich die Prognose sowjetischer Atomphysiker. 2010 wurde eine neue Ummantelung des Reaktors gebaut. Sie wurde erst 2016 fertiggestellt. Die Europäische Union half hier bei der Realisierung des Mammutprojekts.

Zukunftsaussichten der Sperrzone rund um Tschernobyl

Die Sperrzone rund um Tschernobyl war über Jahre hinweg von Milizen bewacht. Bewohner waren primär Wissenschaftler und Angestellte, die die Situation vor Ort überprüften. Doch auch einige Einwohner leben nach wie vor dort. Tatsächlich nimmt die Radioaktivität in Tschernobyl ab. Im Jahr 2065 soll der gesamte Reaktor 4 entfernt und die Aufräumarbeiten rund um die Nuklearkatastrophe abgeschlossen sein.

Tschernobyl und Prypjat als Urlaubsdestination

 

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Im Jahr 2011 wurde die Sperrzone offiziell für den Tourismus freigegeben. Schon zuvor drangen einige Wagemutige illegal zum Reaktor 4 vor. Mittlerweile gibt es bereits Agenturen, die sich auf die Destination fokussieren und fertige Pakete anbieten. Gerade die Sendung ‘Chernobyl’ von HBO sorgte für einen Anstieg der Reisebuchungen nach Tschernobyl um 30-40 Prozent. Mittlerweile besuchen das Sperrgebiet jährlich mindestens 15.000 Menschen (2015). Tendenz stark steigend.

FAQ – häufig gestellte Fragen zu Tschernobyl

Die Verstrahlung in Tschernobyl ist auch nach mehr als 30 Jahren enorm hoch. Besonders betrifft das natürlich das Reaktorgebäude selbst. Dass die Gegend unmittelbar rund um das frühere Atomkraftwerk und insbesondere den Reaktor 4 wieder bewohnbar wird, scheint jetzt undenkbar. Experten zufolge wird das erst in ungefähr 20.000 Jahren wieder möglich sein. Weit schneller kann man allerdings alle anderen Orte in der Sperrzone wieder bewohnen können. In ungefähr 3.000 Jahren kann man in dem Gebiet wieder sicher leben, solange man sich nicht unmittelbar in der Nähe des Reaktors 4 niederlässt.

Grund sind hierfür bestimmte Isotope, die radioaktiv strahlen und eine enorm lange Lebensdauer haben. Denn beispielsweise Plutonium wandelt sich trotz relativ kurzer Halbwertszeit in Stoffe um, die eine Halbwertszeit von über 400 Jahre haben. Durch die Vielzahl an Isotopen und deren lange Lebensdauern gehen Wissenschaftler von den genannten, enorm langen Zeiträumen aus, in denen das Sperrgebiet und die Gegend um Reaktor 4 nicht bewohnbar sein wird.

Trotz des Verbots entscheiden sich aber auch heute Menschen dafür, sich im Sperrgebiet niederzulassen. Neben des Reaktors, der etwas abseits liegt, wohnt niemand. In Pripjat wohnen heute dennoch vermutlich über 100 Menschen. Die offiziellen Zahlen lassen sich schwer abschätzen, weil die Siedler inoffiziell geduldet, aber illegal in dem Sperrgebiet leben. Insgesamt ging der Sozialminister der Ukraine 2013 davon aus, dass 200-2.000 Menschen in der radioaktiv verstrahlten Sperrzone leben.

Wie viele Menschen an den Folgen der Katastrophe von Tschernobyl starben, ist heute noch umstritten. Relativ klar ist jedoch die Anzahl an Menschen, die direkt durch die Katastrophe starben. Die sogenannten Ersthelfer trugen den meisten Blutzoll. Darunter kann man auch die Mitarbeiter einrechnen, die während Versuchen, die Katastrophe einzuschränken, starben. Man spricht von knapp 50 Toten unmittelbar nach der Explosion.

Die ersten Toten waren die Mitarbeiter des Reaktor 4. So starben bereits mehrere Menschen, als der Reaktor explodierte. Das lag an der enormen Druckwelle, die Wände und Räume zerstörte. Zwar war der Kontrollraum verhältnismäßig gut geschützt. Doch die Mitarbeiter wurden hinausgeschickt, um die Situation auszukundschaften und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Durch die völlig falsche Einschätzung des Chef-Ingenieurs im Reaktor starben mehrere Menschen bei dem Versuch, Ventile für mehr Löschwasser zu öffnen. Aber auch die Bergung von Arbeitskollegen forderte Menschenleben.

Als man die Feuerwehr von Pripjat rief, kam diese ohne jeglichen Schutz vor der Strahlung an den Unfallort. Sie versuchten das Feuer am Dach zu löschen. Die Meisten von ihnen mussten jahrelange Krankenhausaufenthalte ertragen, viele von ihnen starben. Die Feuerwehrmänner, die auf das Dach des Reaktors gingen, wurden Augenzeugen zufolge nicht mehr wieder gesehen. Aber auch Sicherheitsmänner, die den Reaktor bewachen sollten, wurden Opfer der tödlichen Strahlung. Durch die extrem hohen Dosen an radioaktiver Strahlung erkrankten sie an akuter Strahlenkrankheit. Sie starben innerhalb weniger Wochen.

Insgesamt schätzt die ukrainische Regierung, dass ungefähr 4.000 Menschen direkt und indirekt durch die Katastrophe von Tschernobyl gestorben sind. Das inkludiert Menschen, die infolge des Unfalls an Krebs erkrankt sind. Natürlich sind auch Ersthelfer, erkrankte Menschen in der Umgebung und insbesondere Ukrainer, die durch Tschernobyl starben, mit einberechnet. Andere Organisationen gehen von weit höheren Todeszahlen aus. Sie rangieren von über 10.000 bis hin zu mehr als 60.000 Tote infolge von Krankheiten und Genmutationen von der Katastrophe bis ins Jahr 2060.

Die Evakuierungen fanden relativ spät statt. Eine Tatsache, die weltweit im Nachhinein für Kritik am sowjetischen System sorgte. Bedingt durch Verwirrung, eine Politik der Geheimhaltung und Inkompetenz bei politischen Verantwortungsträgern konnten sich Befürworter erst 36 Stunden nach dem Unfall durchsetzen. So wurde eine Evakuierung der Stadt Pripjat, die nur vier Kilometer von dem Reaktor Tschernobyl liegt, erst um 14:00 am 27. April 1986 durchgeführt. Weil der Unfall am Samstag in den frühen Morgenstunden passierte und das Wetter schön war, verbrachten viele Menschen den Tag im Freien.

Die Evakuierung am 27. April um 14:00 fand mit Bussen statt. Es waren knapp 50.000 Menschen, darunter 10.000 Kinder. Den Menschen wurde gesagt, dass sie die Stadt nur kurzfristig verlassen mussten. Nur das Notwendigste sollte deshalb mitgenommen werden. Die Menschen konnten nur einmal, Monate später, wieder in die Stadt zurück, um ihre Häuser möglichst zu verriegeln und Besitztümer mitzunehmen. Den Menschen war zum Zeitpunkt der Evakuierung völlig unklar, wie die Situation tatsächlich aussieht. Von offizieller Seite gab es nur eine Radiodurchsage, die vermittelte, dass die Menschen drei Tage lang weg bleiben werden.

In den Tagen und Wochen darauf wurde klar, dass es nicht nur bei der Evakuierung von Pripjat bleiben wird. So wurden alle Menschen im Umkreis von 10 Kilometer am 28. April evakuiert. Langsam wurde die lokale Krise zu einer nationalen Krise, die entsprechend als großes Problem mit dringendem Handelsbedarf betrachtet wurde. Am 2. Mai begann man damit, die Bevölkerung im Radius von 30 Kilometer rund um den Reaktor zu evakuieren. Die Evakuierungen wurden hier am 8. Mai abgeschlossen, das Sperrgebiet stand so am 8. Mai 1986 bereits fest.

Die Explosion passierte im Rahmen eines Sicherheitstests, der eigentlich schon vor der Inbetriebnahme des Kernkraftwerks passieren hätte sollen. In der Praxis fand der Test aber viel später statt. Der Test verlief über Tage. Tatsächlich explodiert ist der Reaktor um 1:23 am 26. April 1986.

Natürlich ist der Reaktor schon zuvor in einer mehr als kritischen Situation gewesen. Schon zu Beginn des Tests wurden Fehler gemacht, die später nicht mehr ausgebessert werden konnten. Durch menschliches Versagen und der Fehlkonstruktion des Reaktors wurde die Katastrophe überhaupt möglich. Essentiell waren hier die Spitzen der Brennstäbe, die zum Herunterfahren des Reaktors eingefahren wurden. Sie waren mit Graphit bedeckt. Der Graphit führte zu einer Erhöhung der Reaktivität (das heißt der thermischen Energie) um mehr als das Hundertfache. Der bereits kochende Reaktor explodierte. Er beförderte durch die starke Explosion große Mengen an radioaktiv aufgeladenen Partikel in die Luft.

Das AKW Tschernobyl war auch schon vor der Explosion nicht gerade ohne weiße Weste. So gab es auch schon der großen Katastrophe Unfälle, die allerdings weit geringeres Ausmaß annahmen. Für die Ukraine war das Atomkraftwerk allerdings sehr systemrelevant. Für die Sowjetunion war das AKW Tschernobyl ein Musterprojekt, das gerne als Vorzeigemodell für die Überlegenheit der sowjetischen Atomindustrie betrachtet wurde.

Letztendlich sorgten wirtschaftliche Aspekte für einen fortlaufenden Betrieb der Reaktoren im AKW. Zwar wurden die drei anderen Reaktoren während der Säuberungs- und Aufräumarbeiten heruntergefahren. Sobald das aber erledigt war, entschied man sich die Reaktoren weiter zu nutzen. Die offizielle Begründung: Durch die Entkontaminierung ist die Nutzung der anderen Blocks für das Personal wieder sicher ist. In Wahrheit benötigte die Ukraine den Strom aus Tschernobyl, der zu einem starken Systemträger in der sowjetisch geführten Ukraine geworden ist. Das Kraftwerk speiste ungefähr 5-10% des gesamten Volumens im Land ein.

Zur Abschaltung des 2. Reaktorblocks kam es nach einem Feuer in der Turbinenhalle. Die G7-Länder und die Europäische Union beteiligten sich an den Bemühungen zur Stilllegung des Kraftwerks. Zur endgültigen Abschaltung des Kraftwerks kam es stufenweise. Der letzte Reaktorblock wurde am 15. Dezember 2000 stillgelegt. So dauerte es 14 Jahre, bis das Kraftwerk nach der Katastrophe endgültig für immer seine Stromproduktion beendete.

Natürlich war vor allem ein Land direkt durch die Katastrophe von Tschernobyl betroffen: Die Ukraine selbst. Das Land befand sich durch den Vorfall in einer noch schwierigeren Lage, als bereits zuvor. Nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die politische Situation erschwerte die Situation während und nach der Katastrophe von Tschernobyl. Denn um die notwendigen Mittel und Ressourcen für die Bewältigung und Liquidierung des Vorfalls zu erhalten, musste Tschernobyl erst zur Staatsangelegenheit werden.

Die Strahlung machte aber nicht bei Staatsgrenzen Halt. Pripjat liegt nahe der Grenze zu Weißrussland. Die Ukraine, Weißrussland und natürlich Russland waren geographisch bedingt sehr stark betroffen. Weil die radioaktiven Partikel durch den Wind in andere Länder kamen, waren auch Österreich, Deutschland und die Schweiz signifikant betroffen. Gleichzeitig traf es auch die skandinavischen Länder, insbesondere Schweden.

Noch heute erinnern einige Regelungen und Gesetze an die Katastrophe. So müssen zum Beispiele Wildschweine nach der Jagd auf Strahlung überprüft werden. Auch Pilze werden in Österreich und insbesondere Süddeutschland auch noch 33 Jahre nach dem Unfall als riskant betrachtet.

Für die meisten Menschen war die Katastrophe von Tschernobyl sehr schnell beunruhigend. Die geringe Informationsdichte trug dazu noch bei. Denn als klar, dass die Katastrophe auch Tote zu beklagen hatte und die Wolken signifikante Strahlung nach Mitteleuropa trugen, wurde klar, dass es sich hier um kein “kleines Malheur” handelte. Als Folge kippte die Stimmung endgültig gegen die Nutzung von Atomkraft als Energieträger. Besonders ökologische Strömungen und Parteien konnten von der Katastrophe profitieren.

Als klar wurde, dass die Reaktorkatastrophe hunderte, wenn nicht tausende Tote fordern wird, änderte sich die Haltung der Deutschen zur Atomkraft. Sogar von bisherigen Befürwortern wurde Atomkraft nun nur noch als ‘Übergangslösung’ betrachtet.

Die Strahlung war natürlich unterschiedlich hoch. Das betrifft den Reaktor wie auch die Stadt Pripjat, die nur vier Kilometer entfernt liegt. In Pripjat selbst war die Strahlung am Abend des 26. April 1986, also circa 18 Stunden nach der Explosion schon tausend Mal höher als normalerweise. Sie stieg später weiter an, war aber mit ungefähr 0,1 mSv/h noch lange nicht kurzfristig stark gesundheitsgefährlich. 0,1 mSv entspricht etwa einem Flug von Deutschland nach New York und wieder zurück. Gesundheitsgefährdend war die Zeit bis zur Evakuierung (36 Stunden) aber dennoch.

Die Situation im Reaktor sah natürlich ganz anders aus. 15.000 Röntgen pro Stunde radioaktive Strahlung waren etwa in der Turbinenhalle vorzufinden. Der Strahlung von 500 Röntgen/Stunde 60 Minuten lang ausgesetzt zu sein, entspricht einer letalen Dosis. Teilweise war die Strahlung nach der Explosion so stark, dass man an manchen Orten des Reaktors schon innerhalb einiger Minuten tödlich verstrahlt wurde. So zum Beispiel in der Turbinenhalle des Reaktors.

Die Stadt Tschernobyl liegt in der Ukraine. Genauer gesagt befindet sich die Stadt 15 Kilometer von der Grenze zu Weißrussland entfernt. Die im Norden der Ukraine gelegene Stadt liegt 15 Kilometer von dem Reaktor von Tschernobyl entfernt. Deshalb wurde sie nicht sofort evakuiert und ist vergleichsweise weniger von der Strahlung betroffen als Pripjat. Heute leben ungefähr 700 Menschen in Tschernobyl. Ein großer Teil von ihnen sind illegale Siedler.

Die Schuld lässt sich im Falle von Tschernobyl schwer auf eine Person reduzieren. Fehler bei der Konstruktion des Reaktors trugen zu der Katastrophe bei. Nicht zuletzt die Anweisungen der Obrigkeiten, das Projekt zu Gunsten der Stromversorgung in Kiew zeitweise zu unterbrechen, machten den Reaktor instabiler.

Die Entscheidungen des stellvertretenden Chefingenieur Anatoli Djatlow waren am Ende des Tages aber doch ausschlaggebend. Er erzwang die Fortführung des Tests mit der Androhung der Kündigung des Schichtleiters Akimov. Dadurch wurde der bereits “kochende” Reaktor endgültig zur Explosion gebracht. Er leistete später 5 Jahre Gefängnis ab und starb im Alter von 64 Jahren an einem Herzinfarkt.

Die Explosion des Reaktors war die Folge einer extremen Leistungsexkursion. Ausgelöst wurde sie letztendlich dadurch, dass die Brennstäbe mit Graphit bedeckten Spitzen durch die Notfallschaltung eingefahren wurden. Das Graphit erhöhte die Reaktivität, was innerhalb von Millisekunden zu einer Verhundertfachung der thermischen Leistung führte.

Schon kurz vor der Explosion gingen die über 300 Kilo schweren Kontrollstäbe hoch und nieder. Das konnte auch von dem Personal beobachtet werden. Der Druck war letztlich um ein Vielfaches zu stark, der Reaktor explodierte und warf Graphit und Teile der Kontrollstäbe in die Luft. So kam eine große Anzahl radioaktiv verstrahlter Partikel in die Luft.

Radioaktive Strahlung kann man schwer in einem Satz definieren. Ionisierende Strahlung kann Elektronen aus Atomen oder Molekülen entfernen. Hat ein radioaktiver Stoff (Materie mit instabilen Atomkernen) ionisierte Strahlung, spricht man von der radioaktiven Strahlung.

Geringe Dosen radioaktiver Strahlung treten auch in der Natur auf. Unsere Atmosphäre schützt uns vor stärkerer Strahlung, der zum Beispiel Astronauten im All teilweise ausgesetzt waren. Die Gesundheitsgefahr der Radioaktivität wurde im 20. Jahrhundert eindrucksvoll demonstriert. Als Atombomben im 2. Weltkrieg, wie auch durch den Super-GAU in Tschernobyl. Zuletzt erschütterte der Unfall im Distrikt Fukushima in Japan die Welt. Die menschlichen Opfer dürften durch eine bessere Organisation aber weit geringer sein.

Der berühmten Reaktor 4 des Tschernobyl-AKW ist endgültig vom Netz genommen und stillgelegt worden.

Weiterführende Literatur: Quellen und interessante Links

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